Freitag, 15. November 2013


Barcino et Tarraco – Ein Reisebericht zum römischen und gladiatorischen Katalonien


Im Oktober/November 2013 führte mich mein Urlaub nach Katalonien, nämlich nach Barcelona (eine Stadt, die ich zuletzt vor 28 Jahren als Teenager besucht hatte) und nach Tarragona (eine Stadt, die ich jetzt zum ersten Mal aber bestimmt nicht zum letzten Mal besuchte).

Beide Städte wurden im Laufe des 2. Punischen Krieges 218 v. Chr. von den Römern gegründet, basierend auf älteren iberischen Ansiedlungen. Augustus reformierte viel herum und somit bekamen auch die beiden Städte einen neuen Status, nämlich den einer Colonia: Barcelona hieß somit damals Colonia Iulia Augusta Faventia Paterna Barcino und Tarragona Colonia Iulia Urbs Triumphalis Tarraco. Auch die beiden bestehenden Provinzen Hispania Citerior und Hispania Ulterior reformierte Augustus und ernannte u.a. eine Provinz Tarraconensis, deren Hauptstadt natürlich Tarragona wurde.

Die römische Geschichte Barcelonas erschloss sich uns durch den Besuch des Museu d’Història de Barcelona, denn im Keller dieses Gebäudes waren Ausgrabungen von römischen Mauern zu sehen. Diese gehörten u. a. zu einer Weinkelterei sowie zu einer Produktionsstätte von garum bzw. liquamen, der berühmten römischen Fischsauce, die von Hispania ins ganze Imperium exportiert wurde. So etwas hatte ich bisher eher ins südliche Spanien verortet, fand es von daher interessant, dass es das auch in Katalonien gab. Der Audioguide erzählte noch, dass es von der Fischsauce verschiedene Geschmacksrichtungen gab, während man ja heute, wenn man römisch kocht, mit der vietnamesischen Fischsauce vorlieb nehmen muss, die es nur in einer Variante gibt.

In solchen großen Gefäßen, dolia genannt, wurde die fertige Fischsauce dann aufbewahrt ehe sie in Amphoren für den Transport abgefüllt wurde.

Da sich Augustus ja sehr um Barcino verdient gemacht hat, wurde ihm zu Ehren dort ein Tempel errichtet, in typischer Bauweise eines Podiumstempels mit 35 m Seitenlänge und 17,5 m an den Schmalseiten. Heutzutage sind nur noch drei Säulen davon erhalten, die sich in einem kleinen Hof befinden, den wir ohne ortskundige Führung von Mitgliedern der Römergruppe Barcino Oriens nie gefunden hätten. Irgendwie ein magischer Ort:
Das in Barcino Gladiatorenkämpfe auch beliebt waren, zeigt der Fund einer Öllampe mit gladiatorischem Motiv. Soweit es zu erkennen ist, zeigt sie einen Thraex mit sica, kleinem Rechteck-Schild und zwei hohen Beinschienen.
Im Gegensatz zu Barcelona, wo eigentlich alles überbaut ist, sind in Tarragona noch viele römische Überbleibsel zu sehen, wie z. B. der Circus, römische Steine in der Stadtmauer, Mauerreste in der Altstadt und natürlich das Amphitheater, welches malerisch direkt am Meer liegt, heutzutage vom Strand nur durch eine Bahntrasse und eine Straße getrennt.


In Tarragona gab es in den Museen ziemlich viel gladiatorische Fan-Objekte, vor allem mal wieder Öllampen:
Diese Lampe erinnert von ihrem Bild her an die, die im Londoner Frauengrab gefunden wurde, welches man einer Gladiatrix zurechnet.
Schwer zu erkennen, weil diese Lampe schon recht verwittert ist, aber es sind die Waffen eines Thraex dargestellt: sica, Helm und Schild.


 
Aber auch Überreste eines terra sigillata Kruges mit gladiatorischen Kampfszenen:
Museen besichtigen macht hungrig, Appetit holt man sich schon mal beim Betrachten dieses Mosaiks mit Meeresgetier :-)



Pollice Verso – der gedrehte Daumen


Pollice Verso – der gedrehte Daumen, das ist der Begriff, den uns die Antike für das Zeichen überliefert, wenn das Publikum den Tod des unterlegenen Gladiators wünschte. Aber wohin dieser Daumen gedreht wurde, das geht aus diesem Begriff leider nicht hervor. Für die Bewohner des Alten Roms bedurfte er wohl auch keiner Erklärung, weil sie wussten, wie die Geste war, so wie wir ja auch wissen, was es für den Fußballer bedeutet, wenn der Schiedsrichter ihm die rote Karte zeigt. Aber weiß das in 2000 Jahren noch jemand, was die rote Karte bedeutet...?

Die Wissenschaftler haben sich so ihre Gedanken zu dieser Geste gemacht: Es könnte der Daumen sein, der auf die Kehle zeigt, entweder mit einer Stichbewegung auf die Kehle zu oder mit einer Schnittbewegung von links nach rechts. Jedenfalls soll diese Geste „iugula!“ („stich ihn ab!“) zum Ausdruck bringen.

Aber was war nun die Geste, wenn das Publikum wünschte, dass der Gladiator am Leben gelassen werden, also die missio erhalten sollte? Daumen hoch ist eine reine Holly-wood-Erfindung, die sich aber leider in den Köpfen der Leute festgesetzt hat, wie wir immer wieder auf Veranstaltungen wie Museumsfesten etc. feststellen.

Meiner Meinung nach kann es keine weitere Geste mit der nackten Hand sein, denn das kann man auf die Distanz von der Arenamitte oder gar vom pulvinar (Sitzplatz des Kaisers bzw. Spieleausrichters) gar nicht erkennen. Wie ich selber im Fußballstadion beobachtet habe, konnte ich nicht erkennen, was die Zuschauer auf den gegenüberliegenden Rängen mit ihren Händen machen (La Ola-Wedeln, klatschen etc.), aber ich konnte sehr deutlich sehen, wer was mit den nackten Händen machte und wer einen Fanschal hochhielt. Da die Römer auch mit Stoffstücken in die Arena gingen, wäre es ein mögliches Zeichen für Leben lassen gewesen, entweder mit dem Zipfel der Toga zu wedeln oder mit der mappa, einer Art großer Serviette, in der die Vorräte eingewickelt waren, die man für einen langen Tag im Amphitheater mitbrachte. So gäbe es zwei Gesten, die auch aus der Arenamitte und vom gegenüberliegenden Rang aus deutlich zu erkennen gewesen wären.

Dieses ist nur eine These von mir, ohne wissenschaftlichen Beleg, sondern nur begründet auf meinen eigenen Beobachtungen als Fußballfan im Fußballstadion. Aber ich habe sie gerade bestätigt gesehen, weil Alfonso Mañas sie genauso auch in seinem Buch „Gladiadores – El Gran Espectáculo de Roma“ erwähnte, ohne allerdings den Bezug zum Fußballstadion herzustellen, aber den Togazipfel und die mappa. Was es nun wirklich war, werden wir wohl nie in Erfahrung bringen, da in den antiken Quellen darüber nichts überliefert ist.